Rad- und Fußverkehr in NRW verantwortungsvoll gestalten
Nr. 11/2020, Düsseldorf, 20.05.2020
Städte, Gemeinden und Kreise müssen jetzt kurzfristige Maßnahmen für Rad- und Fußverkehr umsetzen um das notwendige Abstandhalten zu ermöglichen. Der ohnehin zu knapp bemessene Platz für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen wird in Zeiten von Corona zum Gesundheitsrisiko. Für die Umsetzung „pandemietauglicher“ Infrastruktur verweist die NRW Landesregierung auf die Verantwortung der Kommunen und die örtlich zuständigen Straßenverkehrsbehörden. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club NRW zeigt sich enttäuscht über die ausbleibende Unterstützung durch die Landesregierung und appelliert an Städte, Gemeinden und Kreise, jetzt mutig und kurzfristig Maßnahmen für den Rad- und Fußverkehr umzusetzen.
In Reaktion auf eine Anfrage der Landtagsfraktion der GRÜNEN „Was tut die Landesregierung, um den notwendigen Sicherheitsabstand zum Schutz vor Corona-Infektion auch für Radfahrerinnen und Fußgänger zu gewährleisten?“ hat sich die Landesregierung in einem Bericht klar positioniert: Die Landesregierung sieht keine Notwendigkeit, die Kommunen und Kreise bei der Umsetzung von „pandemietauglichen“ Infrastruktur-Maßnahmen (Pop-Up-Bike-Lanes etc.) zu unterstützen, weil sich die Anordnung von Pop-Up-Bike-Lanes „nicht vom üblichen Prozedere bei Radfahrstreifen unterscheiden würden. Somit könnten bereits heute anhand des vorhandenen Instrumentariums der StVO temporäre Radfahrstreifen realisiert werden. Die Landesregierung macht deutlich, dass diesbezüglich keine rechtlichen Hindernisse bestehen.
Für Städte, Gemeinden und Kreise und die örtlichen Straßenverkehrsbehörden bedeutet dies, dass sie rechtlich zuständig und in der Verantwortung sind zu handeln und Infrastrukturmaßnahmen umzusetzen.
„Wir appellieren an Städte, Gemeinden und Kreise jetzt mutig und konsequent erforderliche Maßnahmen für Fuß- und Radverkehr kurzfristig umzusetzen, auszuwerten und gegebenenfalls zu verstetigen und so die Chance für veränderte Mobilitätsroutinen zu nutzen. Wir müssen eine neue Normalität und eine verantwortungsvolle Mobilität gestalten“, so Thomas Semmelmann, Landesvorsitzender des ADFC Nordrhein-Westfalen.
Der ADFC NRW zeigt sich enttäuscht, dass die Landesregierung für Rad- und Fußverkehr im Kontext der Corona-Pandemie keinen Anlass zu eigenem Handeln sieht und jegliche Unterstützung ausbleibt. Angesichts der Dringlichkeit und des offensichtlichen Handlungserfordernisses sollte die Landeregierung aus Sicht des ADFC NRW unterstützend tätig werden: Zum Beispiel indem Leitfäden und Regelpläne für Pop-Up-Bike-Lanes, wie sie die Berliner Senatsverwaltung herausgegeben hat, als Orientierung erlassen werden. Stattdessen macht die Landesregierung keinerlei Aussage dazu, inwiefern sie Handlungsbedarf für eine sichere Nahmobilität in Pandemiezeiten sieht und lässt eine Strategie zur Gewährleistung eines sicheren Rad- und Fußverkehrs im Zuge der Lockerungen vermissen.
In einem offenen Brief an Verkehrsminister Hendrik Wüst hatte der ADFC NRW gemeinsam mit den Radentscheiden und -initiativen in NRW bereits am 14. April 2020 den Minister um Unterstützung bei der Umsetzung kurzfristiger Maßnahmen für den Rad- und Fußverkehr gebeten. „Das Fahrrad wird zukünftig eine noch entscheidendere Rolle für eine nachhaltige und widerstandsfähige Mobilität spielen. Auf dem Weg zu einer neuen verantwortungsvollen Normalität ist Radfahren ganz besonders dazu geeignet, eine sichere Mobilität für Menschen zu gewährleisten. Politik und Verwaltung sind jetzt in der Verantwortung, die dafür erforderlichen Radwege kurzfristig umzusetzen und eine zukunftsfähige Infrastruktur zu schaffen!“ so Thomas Semmelmann, Landesvorsitzender des ADFC Nordrhein-Westfalen.
Es mangelt nicht an Beispielen, die zeigen, wie dies sinnvoll und effizient umgesetzt werden kann. Städte wie Berlin gehen voran und haben temporäre Radfahrstreifen bereits umgesetzt. Die dazu erstellten Leitfäden und Regelpläne ermöglichen die Umsetzung auch in anderen Kommunen. Das Beispiel Berlin zeigt, dass Planungs- und Umsetzungszeiträume, die üblicherweise mehr als drei Jahre in Anspruch nehmen, durch agile Verwaltungsverfahren auf „eine Woche nachdenken und eine Woche umsetzen“ reduziert werden konnten.
In Köln und Dortmund wurden in den vergangenen Tagen Pop-Up-Bike-Lanes als Demonstrationen veranstaltet. Die Aktionen haben erfolgreich aufgezeigt, wie kurzfristig effizient und nachhaltig Platz für Radfahrende geschaffen werden kann. Am 23.05.2020 wird zudem der bundesweite Aktionstag „Popup-Radspuren“ mit Demonstrationen in zahlreichen Städten stattfinden.
Das Platzproblem auf den Straßen wird im Zuge der Lockerungen in den nächsten Tagen und Wochen noch deutlicher hervortreten. Der motorisierte Individualverkehr wird wieder stark zunehmen, zugleich wird der ÖPNV weiter gemieden. Der ADFC NRW fordert in der Pandemie-Situation das Möglichkeitsfenster für veränderte Mobilitätsroutinen zu nutzen, das Fahrrad als krisenfestes, nachhaltiges Verkehrsmittel zu fördern und mit Priorität sichere Bedingungen für den Rad- und Fußverkehr zu schaffen.
Empfohlene Links:
Der ADFC hat Handlungsempfehlungen für Kommunen und Maßnahmenpakete gegen den Super-Stau formuliert: https://www.adfc.de/pressemitteilung/adfc-warnt-vor-dem-super-stau-handlungsleitfaden-und-aktionstag/
Pressemitteilung des ADFC NRW zu Corona-sicheren Radwegen: https://www.adfc-nrw.de/aktuelles/aktuelles/article/corona-sichere-rad-und-gehwege-gefordert.html
Temporäre Einrichtung und Erweiterung von Radverkehrsanlagen: https://www.mobycon.nl/wp-content/uploads/2020/04/6796_Kreuzberg_Handbuch-V4.pdf
Sitzung des Verkehrsausschusses am 13. Mai 2020, Bericht der Landesregierung TOP 8: Was tut die Landesregierung (…)? https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-3332.pdf
Über den ADFC NRW
Der ADFC NRW e.V. ist mit mehr als 46.000 Mitgliedern der größte Landesverband des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs. In knapp 40 Kreisverbänden und 100 Ortsgruppen sind wir vor Ort aktiv. Wir setzen uns für eine umweltfreundliche Verkehrspolitik ein, fahren gemeinsam Touren und beraten in allen Fragen rund um das Fahrrad. Als Landesverband werben wir in Politik, Ministerien und Verbänden für eine Verkehrspolitik, die die Potentiale des Fahrrads ausschöpft. Dabei steht die Entwicklung einer umfassenden Radverkehrsinfrastruktur im Mittelpunkt: ein einheitliches Radverkehrssystem für Alltags-, Freizeit- und Urlaubsradfahrer*innen mit hohen Qualitätsstandards und guten Serviceeinrichtungen.